Unmotiviert? Unmotiviert!

Seid ihr öfter unmotiviert? Nicht nur am Montag? Dann lest den Beitrag der Petra Apotheke Kaiserslautern (apotheke kaiserslautern)

 

Montag Morgen, 7:00 Uhr, irgendwo in Deutschland. Es regnet.

Eigentlich wollte ich heute richtig was tun.

Das Bad putzen, zur Bank gehen, einen Beitrag fertig schreiben und einen neuen in Angriff nehmen, beim Steuerberater anrufen, und endlich mit der Fotobearbeitung beginnen, die langsam mal fertig werden sollte.

Nun, es ist jetzt Elf und was ich von meinen Vorhaben bisher umgesetzt habe, lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: nichts.

 

Ich rufe entnervt unsere Tochter an, und befinde mich gleich in bester Gesellschaft: Sie wollte gestern anfangen, ihre Seminararbeit zu schreiben, und rausgekommen ist dabei ein Nachmittag vor Netflix und ein leergegessener Kühlschrank. (Wer findet sich hier wieder? ICH!)

Meine Kollegin hat mir Ähnliches erzählt, als ich sie nach dem stagnierenden Vorankommen ihres neuesten Projektes fragte.

Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen – ich besuchte vorgestern meine Cousine, die pausenlos klagte und meinte, wie schwer sie sich täglich aufraffen könne, morgens aufzustehen. „Ich fühle mich so antriebslos“, sagt sie, und bringt damit auf den Punkt, was ich selbst fühle. Hilfe, was ist nur los mit uns?

 

Es kann doch wohl nicht nur COVID 19 Schuld daran sein, dass wir von dieser Lahmheit befallen sind?

 

In der Psychologie wird Antriebslosigkeit den psychischen und Verhaltensstörungen zugeordnet, und sie gehört zu den klassischen Symptomen einer Depression.

Laut der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD10) leidet der betroffene Patient unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von Antrieb und Aktivität. Sollte uns das jetzt beunruhigen? Heißt das, dass wir alle unter Depressionen leiden?

Wieder gibt das Symptomverzeichnis ICD10 Auskunft:

Bei einer so genannten leichten depressiven Episode sind gewöhnlich mindestens zwei oder drei Symptome vorhanden. Antriebslosigkeit alleine macht also noch keine Depression. Wo aber kommt sie dann her? Und vor allem: Was kann man dagegen tun?

 

Menschen, bei denen Antriebslosigkeit eines von mehreren Depressions-Symptomen ist, haben ein ernst

zunehmendes psychisches Problem. Interessanterweise ist Antriebslosigkeit nicht typisch für suizidgefährdete Depressive. So makaber das klingt: Auch, um sich dazu aufzuraffen, sein Leben zu beenden, braucht man Energie. Meine Cousine könnte theoretisch am ehesten  zu denen gehören, bei denen eine Therapie sinnvoll wäre, denn die Altersdepression ist eine ziemlich häufige Krankheit, die leider oft unbehandelt bleibt, weil sich niemand die Mühe macht, zwischen harmloser  Müdigkeit und depressiver Antriebslosigkeit zu unterscheiden.

 

Bei unserer Tochter sehe ich keine Anzeichen einer Depression - warum also sitzt sie unmotiviert vor dem Fernseher, anstatt energiegeladen in der Uni-Bibliothek (ok, das geht im Moment nicht, wegen Corona, aber ihr wisst, was ich meine)?

Ihre Situation erinnert mich an die Zeit, als auch ich eine riesengroße Aufgabe vor mir hatte, die bewältigt werden wollte. Wie gelähmt saß ich damals vor dem unüberschaubar großen Berg an Arbeit, dessen Gipfel ich nicht erkennen konnte, und kein Wegweiser war zu sehen. Anstatt mich ins Unterholz zu stürzen und anzufangen, blieb auch ich ziemlich lange erst mal da wo ich war, und versuchte, den Berg vor mir herzuschieben.

Ich konnte mich einfach nicht überwinden, anzufangen. Was mir damals geholfen hat, war die Anschaffung einer Landkarte und ein Zeitplan, bis wann ich an welcher Wegkreuzung angelangt sein wollte. Anstatt die scheinbar nicht zu bewältigende Gebirgstour zu fürchten, setzte ich mir konkrete Ziele (bis nächste Woche will ich dieses fertig haben, in zwei Wochen jenes), und konnte mich so mit vielen kleinen Erfolgserlebnissen zum Weitermachen motivieren.

Die Antriebslosigkeit verschwand, sobald ich klare und auch erreichbare Ziele vor Augen hatte. Und bei jeder Raststation unterwegs belohnte ich mich ausgiebig. Diese Strategie wende ich bis heute in Situationen an, in denen ich unüberschaubar große Aufgaben vor mir habe und sie funktioniert fast immer.

 

Aber auch die schönste Strategie hilft leider nichts, wenn man nicht weiß, warum man das Ganze eigentlich macht.

Das neue Projekt, die Seminararbeit, oder das Leben. Hier hilft bei mir nur eines: Ich muss mir die Sinnfrage stellen, solange, bis ich meine Ziele, Wünsche und Prioritäten klar definieren kann.

Wer davon überzeugt ist, dass er etwas sinnvolles und erfüllendes vorhat, wird nicht so schnell von Antriebslosigkeit davon abgehalten, es auch zu tun. Pädagogen wissen, dass diese sogenannte intrinsische Motivation(die Motivation, die von uns selbst ausgeht) der stärkste Antrieb ist, Probleme und Aufgaben zu lösen. Das sollte sich meine Kollegin vielleicht mal durch den Kopf gehen lassen. Sie findet das Thema ihres neuen Projektes langweilig. Im Grunde findet sie den ganzen Job langweilig. Sie könnte sich von ihrer Antriebslosigkeit befreien, indem sie sich nach einem neuen Aufgabenbereich umsieht. Doch wenn ich ihr das vorschlage, meint sie:

"Nee, das ist mir viel zu anstrengend".

 

Und genau hier liegt der Hund begraben:

Die Antriebslosigkeit selbst hindert uns am meisten daran, etwas gegen die Antriebslosigkeit zu tun.

Wir sind zu lahm, um gegen die Lahmheit zu kämpfen.

Wir sind zu unmotiviert, um uns zu motivieren. Und plötzlich fehlt sogar der Antrieb, Dinge zu tun, die man eigentlich gerne macht. Dieser Teufelskreis hat mich zu dem Entschluss gebracht, nie alles auf einmal ändern zu wollen. Man kann nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen. Man sollte mit etwas scheinbar winzig kleinem anfangen, nur um zu sehen: Es geht doch. Und um erstaunt festzustellen: Ich habe ja schon angefangen, etwas zu tun! Also lieber erst mal den Müll runterbringen, statt gleich die ganze Wohnung renovieren zu wollen. Einen Anruf erledigen, statt mit der Steuererklärung anzufangen! Sich ein erreichbares Ziel setzen. Der Rest geht dann schon leichter.

 

Kluge Worte, ich weiß, die ich eigentlich nur noch selbst befolgen müsste. Vielleicht habe ich mir auch zu viel vorgenommen für heute. Vielleicht sehe ich nicht bei allem einen Sinn? Vielleicht aber habe ich es mit etwas viel simpleren zu tun: Ich bin manchmal einfach faul.

Ja schon klar, wir müssen nur wollen. Ich will aber nicht immer wollen müssen. Und ich meine, dass ich dazu auch jedes Recht habe. Bei diesem Wetter. Also ehrlich.